Augustinus ist für mich verbunden mit einem vergeistigten Christentum, das sich von allem Körperlichen fern hält und die Welt überwinden und sich ganz auf das rein Geistige konzentrieren will. Das Gegenteil von dem, was ich anstrebe.
Eine andere Übersetzung lautet: »Wenn Du es begriffen hast, ist es nicht Gott« – genau dagegen sträubt sich etwas in mir: Ich will doch gerade begreifen und ich bin fasziniert davon, dass Gott sich bewusst begreifbar gemacht hat, indem er Mensch geworden ist – ist nicht das genau die radikale Botschaft der Inkarnation, der Fleischwerdung Gottes?
Ich möchte jedenfalls kein Christentum, das sich überheblich, besserwisserisch, naserümpfend von der Welt abwendet. Und gerade weil ich das nicht will, nehme ich Augustinus beim Wort. Denn radikal zu Ende gedacht bedeutet seine Aussage: Niemand HAT Gott, niemand HAT die Wahrheit. Und das gefällt mir.
Das (er)leben wir so bei barfuß+wild, wenn wir – wie in der vor uns liegenden Woche – zur Quest gehen: Jede Person ist autonom und Teil des Ganzen. Niemand maßt sich an, andere und ihre Situation und Sicht auf die Dinge gänzlich beurteilen oder eben »begreifen« zu können – denn jeder und jede kann nur in und mit und aus der eigenen Wirklichkeit leben und Erfahrung ist IMMER subjektiv.
Im Teilen der Erfahrungen aber »zeigt sich« Gott. Im Zuhören. Im Miteinander. Das gefällt mir. Und genau diese Erfahrung ist es vielleicht, die der Idee der Dreifaltigkeit zugrunde liegt – die auch nicht rational fassbar ist, weil die Gegensätze (einer – viele, getrennt – verbunden) in ihr in eins fallen. Insofern passt Augustinus heute am Dreifaltigkeitssonntag doch ganz gut 😉
In diesem Sinne wünsche ich Dir ganz praktisch, dass Du Raum lassen kannst für das Unverständliche und Ungelöste. Dass Du immer Orte und Menschen findest, an und mit denen Du Deine Erfahrungen und Deine Fragen teilen kannst. Dass Dich jegliches Nicht-Verstehen nicht verbittern lässt, sondern innerlich befreit und die Lust weckt, den Horizont zu erweitern. Und ich wünsche Dir, dass Du immer tiefer erkennst, wie Du und dass Du IN allem Gott berührt hast, lange bevor Du etwas verstanden hast.
In diesem Sinne einen schönen Sonntag,
Pace e bene,
Jan.
»Vision Quest und naturtherapeutische Methoden sind mir schon lange ein Begriff. Dass Ihr die Methodik mit franziskanischer Spiritualität verbindet, finde ich großartig.«